Ideenkarussel

Ideenfindung: Wie ein beiläufiger Satz ein ganzes Ideenkarussell in Gang setzen kann

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Ideen für den Plot von Romanen gibt es an jeder Ecke – ob draußen auf der Straße, in der Zeitung oder per Mausklick im Internet. Schon ein einziger Satz aus einem Gespräch kann eine Vielzahl an Ideen in Gang setzen. Beweise gefällig? Bitte schön: eine nicht ganz ernst gemeinte Ideensammlung, die innerhalb von Sekunden aufgrund eines einzigen Satzes entstanden ist.

Ein Satz – viele Ideen

Romanideen und wie man sie findet – mit diesem Thema werden Autoren immer wieder konfrontiert. Da alle Theorie grau ist und praktische Beispiele oft den größten Aha-Effekt mit sich bringen, zeige ich hier, wie ein beiläufiger Satz auf Facebook bei mir gleich ein ganzes Ideenkarussell in Gang gesetzt hat.

Eine befreundete Bestsellerautorin von populären Sachbüchern hat auf der Social-Media-Plattform von einer zufälligen Begegnung mit einem fremden Mann berichtet. Beide kamen ins Gespräch. Schnell stellte sich heraus, dass er in einigen Punkten, die ihr sehr wichtig sind, anderer Ansicht war als sie, doch ihr abschließender Satz lautete: »Eigentlich war er nett.«

Ich musste beim Lesen dieses Beitrags lachen und sofort lief bei mir ein Buchtitelkarussell an – unter Berücksichtigung der typischen Genrekonventionen (okay, mit einer Ausnahme). Voilà!

Drama mit dem Titel »Eigentlich war er nett«

Die gesamte Dorfgemeinschaft ist sich einig: Hannes ist plemplem. Der eigenbrötlerische ältere Herr wird daher ständig gemobbt. Erst als er stirbt (nach längerer Krankheit oder – noch dramatischer – durch Selbstmord) merken die anderen Bewohner, wie wichtig er für die Gemeinschaft war. So hat er die komischen Figuren, die er tagein, tagaus geschnitzt hat, nämlich an Städter verscherbelt und mit dem so eingenommenen Geld Bauer Schmitz die Anzahlung für den neuen Trecker ermöglicht. Und der Lehmanns Annie hat er auch finanziell unter die Arme gegriffen, nachdem ihr Jakob auf und davon ist. Tenor auf seiner Beerdigung: »Eigentlich war er nett.«

Liebesroman mit dem Titel »Eigentlich war er nett«

Anna und Lukas verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Doch beide sind starke Persönlichkeiten mit genauen Vorstellungen, wie ihr weiteres Leben aussehen soll. Diese Vorstellungen kollidieren miteinander. Somit besteht die Beziehung mehr aus Kampf als aus romantischer Zweisamkeit. Ute, Annas beste Freundin, merkt, dass diese unglücklich ist. Sie gibt Lukas die Schuld daran und zieht alle Fäden, damit der das bekommt, wovon er die ganze Zeit über geträumt hat: eine Festanstellung als Investmentbanker bei einer großen Bank – in New York! Lukas nimmt die Gelegenheit wahr … und Ute muss feststellen, dass Anna nach der damit verbundenen Trennung von ihm noch unglücklicher ist. Sie schläft kaum noch, magert sichtlich ab – da lässt Ute sich zu der Bemerkung hinreißen: »Eigentlich war er nett.«

((Merkt man, dass ich keine Liebesromane lese und schreibe? Ich fürchte, „happily ever after“ ist als Thrillerautorin nicht mein Ding. Apropos Thriller …))

Thriller mit dem Titel »Eigentlich war er nett«

Hannibal Lecter, ein Psychiater, Psychopath und verurteilter Serienmörder, überwältigt seine Wärter und schafft es, aus dem Gefängnis auszubrechen. Endlich in Freiheit taucht er sofort unter. Da er seine Vergangenheit hinter sich lassen will, besorgt er sich von dubiosen Leuten neue Papiere, reist nach Jamaica aus und praktiziert ein halbes Jahr später unter falschem Namen sogar wieder als Psychiater. Alles läuft prima, doch dann wird sein Appetit auf menschliche Leber mit Fava-Bohnen übermächtig. Da die Mordrate in Kingston gigantisch hoch ist, glaubt er, dass eine Tat mehr oder weniger kaum auffallen wird, und begibt sich auf die Jagd nach einem Opfer. Am Hafen lernt er Andrew kennen, der dabei hilft, die großen Containerschiffe zu be- und entladen. Andrew, der nie eine Universität von innen gesehen hat, da er schon als junger Teenager helfen musste, seine Familie durchzubringen, sieht zu dem Arzt auf, der sich kultiviert zu geben vermag und seinem neuen jungen Freund von fernen Ländern und Städten erzählt. Die Begeisterung, mit der Andrew ihm zuhört, rührt Lecter. Beinahe empfindet er so etwas wie väterliche Gefühle. Doch während ihres vierten Treffens schlägt wieder dieses unbändige Verlangen nach Leber zu. Lecter überwältigt Andrew und weidet ihn aus. Bevor er jedoch dessen Leber genießt, besorgt er sich noch einen dazu passenden ausgezeichneten Chianti. Während des Essens redet er sich immer wieder ein, dass es um Andrew nicht schade sei, sein Leben sei sowieso kaum etwas wert gewesen. Doch eine kleine Stimme, ganz tief in seinem Innern, flüstert: »Eigentlich war er nett.«

Ihr habt es euch sicherlich schon gedacht: Keine dieser »Ideen« werde ich zu einem Roman weiterentwickeln. Doch ich hoffe, sie demonstrieren, dass schon ein einziger Satz, eine kurze Begegnung, ein Foto oder was auch immer die Keimzelle zu einem Roman sein kann. In diesem Sinne: viele gute Ideen und fröhliches Schreiben!


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